Meine Reise nach Japan begann eigentlich ganz normal. Ein tonnenschwerer Koffer, viel zu viel Nervosität und viel zu wenig Schlaf. Dann meine aufgeregte, unterdrückt besorgte Familie am Flughafen, ein ebenfalls tonnenschwerer Rucksack, das unentbehrliche Kuscheltier unter dem Arm. Herumhibbeln auf dem ersten Flug von Berlin nach Frankfurt, aufgeregte, erwartungsvolle Anspannung auf dem zweiten von Frankfurt nach Tokyo – und bleierne Müdigkeit auf dem dritten Flug von Tokyo nach Fukuoka, denn mal wieder war der Schlaf viel zu kurz gekommen.
Die ersten Tagen vergingen wie im Flug. Sie waren erfüllt vom Abschied von Cheryl, fremden Schriftzeichen, Verwirrung pur bei der Benutzung der Bahnen, vielen freundlichen, hilfsbereiten Japanern, meinem ersten Tag an der Genki JACS (Japanese Language And Culture School), einer besorgten Gastmutter, einem Telefonat mit dem Direktor der Schule, Evan Kirby, (der im Übrigen eine sehr angenehme, beruhigende Stimme hat,) einem Krankenhausaufenthalt – Moment, halt. Genau. Ja, einem Krankenhausaufenthalt. Was ist schief gegangen, fragt ihr euch? Naja, sagen wir, die Kombination aus Schlafmangel und einem nervösen Magen ist mir schon am ersten Tag nicht gut bekommen und ich war am dritten ein wenig (sehr) unterzuckert. Aber ich sehe auch diesen etwas unkonventionellen „Ausflug“ mit meiner Gastmutter als gute Erfahrung.
Meine Gastmutter und ich haben uns irgendwann auch ohne die Hilfe des Google Translators gut und flüssig unterhalten können (Worauf ich immer noch sehr stolz bin!) und auch mit meinen Klassenkameraden wurden die Beziehungen besser und besser. Es war sogar ein Mädchen aus Berlin dabei, also quasi eine Nachbarin.
Obwohl ich in einer Gastfamilie und die anderem im Wohnheim gelebt haben, haben wir viel zusammen unternommen, waren einen Tempel in Gion-machi besuchen, zusammen essen. Und im Kino.
Am Donnerstag der dritten Woche war es dann so weit. Es bahnte sich eine Veränderung an, nämlich der Umzug von meiner Gastfamilie in ein Wohnheim, da Shoichi, Yumiko und ihre Kinder anlässlich des Obon-Festes ein paar Tage Urlaub bei Shoichis Familie geplant hatten. Meine Gastmutter umarmte mich zum Abschied, für Japaner außerhalb des Familien- und Freundeskreises eine fast schon intime Geste, und wünschte mir alles Gute, bevor ich, samt 30-Kilo-Koffer und 10-Kilo-Rucksack, in die Bahn stieg und zur Schule fuhr.
Die Begrüßung im Wohnheim, wenn man es denn als solches bezeichnen kann – es war eher mit einer Gastfamilie mit mehreren Austauschschülern vergleichbar, so gemütlich und familiär wirkte alles – war freundlich, beinahe herzlich, und ich wurde direkt herumgeführt und mir wurde alles erklärt. Ich fühlte mich sofort wohl, was sich noch einmal steigerte, als plötzlich Cai, ein Junge aus einer meiner Grammatik-Klassen, in der Tür stand. Wir waren beide recht überrascht, aber er hat sich, zur Verfügung gestellt, mir die Gegend zu zeigen, was ich auch dankend angenommen habe.
Ich habe mich im Wohnheim sehr schnell eingelebt. Bereits am ersten Abend wurde ich vom Sohn der Betreiber, Toshi, eingeladen, mit allen zusammen Ramen essen zu gehen.
Und direkt am Tag darauf unternahmen wir wieder etwas miteinander und besuchten das nahegelegene Aquarium, um danach zusammen Okonomiyaki zu machen. Ich habe mich selten so schnell irgendwo so willkommen und wohl gefühlt.
Dieses Gefühl steigerte sich ebenfalls noch, als am Samstag, also zwei Tage nach meiner Ankunft, eine Freundin von mir ebenfalls dort einzog. Miriam, die ich durch ein zufälliges Gespräch in der Lobby der Schule kennengelernt hatte. (So wie noch ein paar weitere Menschen. Gerade beim Mittagsessen kam man einfach mit so vielen Leuten in Kontakt, es war wirklich toll!)
Als das Ende meiner vier Wochen in Japan kam, wollte ich nicht gehen. Wirklich nicht. Ich fühlte mich zu Hause, geborgen, willkommen, ich hatte wahnsinnig tolle Freunde gefunden.
Am Samstag meines Abflugs stand Rina, ein japanisches Mädchen aus dem Wohnheim, mit mir um sechs Uhr morgens auf und half mir, den Rest meiner Sachen im Koffer zu verstauen, während Megu mir ein Reiseproviant-Sandwich machte. Toshi und seine Mutter warteten am Auto, ebenso wie Miriam, die sich auch verabschieden wollte. Und obwohl ich keine zwei Wochen lang bei ihnen gewohnt hatte, sah ich, wie sich oba-san (Tante), wie ich die Betreiberin des Wohnheims nennen sollte, über die Augen wischte. Rina drückte mir zum Abschied die Hände und Miriam umarmte mich fest, bevor ich zu Toshi ins Auto stieg und von ihm zum Flughafen gefahren wurde. Der Abschied am Terminal war kurz, aber ich musste ihm versprechen, wiederzukommen – was ich auch fest vorhabe.
Meine vier Wochen in Japan waren einige der besten Wochen meines Lebens. Die Japaner sind unglaublich freundliche, hilfsbereite Menschen, die trotz ihrer nach außen recht distanzierten Art, vor allem Ausländern gegenüber, nicht herzlicher sein könnten.
Die Kultur Japans ist facettenreich wie kaum eine andere und egal, ob man sich nun für Samurai oder Manga, Tempel oder Cat-Cafés interessiert, in Japan wird einem garantiert nie langweilig.
Die Schule und die Lehrer waren wunderbar. Der Unterricht wurde interessant und interaktiv gestaltet, die Lehrer behandelten jeden Schüler individuell, scherzten und lachten mit ihnen, halfen ihnen. Ich habe selten so einen angenehmen, fast freundschaftlichen Umgang mit meinem Lehrern geführt und ich würde diese Stunden mit Mai-sensei, Saori-sensei, Juinichi-sensei, Jun-sensei und all den anderen um keinen Preis der Welt eintauschen.
Ich habe in dieser Zeit unglaublich viele Freunde gefunden. Japaner, Italiener, Franzosen, Australier, Koreaner, Schweizer, Deutsche. Zu vielen habe ich noch Kontakt, einige sind noch in Japan, andere schon wieder zu Hause. Es werden sogar bereits die ersten Besuche geplant!
Zum Abschluss möchte ich noch ein paar Tipps für eure eigene Sprachreise geben.
Zuerst einmal: Geht raus. Traut euch, etwas zu unternehmen, sogar allein. Sprecht die Leute an, seien es andere Schüler oder Einheimische. Selbst, wenn es euch schlecht geht oder ihr Heimweh habt, verkriecht euch nicht die ganze Zeit. Lenkt euch ab – und wenn ihr nur die Gegend um eure Unterkunft erkundet. Alles ist besser, als allein zu sein und sich in sein Selbstmitleid hineinzusteigern.
Es ist außerdem ratsam, nicht direkt am Tag vor eurem ersten Schultag anzukommen. Lasst euch selbst mindestens einen Tag, um euch zu erholen und den Jetlag halbwegs auszugleichen. Wenn das nicht geht, weil entweder die Flüge nicht buchbar sind oder es sonst anderweitig Probleme gibt, haltet euch nicht gewaltsam wach. Wenn ihr müde seid, schlaft, gerne auch zwölf Stunden. Und wenn ihr dann mitten in der Nacht wach seid, dann ist es eben so. Es ist auf jeden Fall besser, als sich völlig zu übermüden und auszulaugen.
Und letztlich noch: Wenn ihr eine Sprachreise machen wollt, macht es. Egal wo, egal wann. Ihr werdet diese Zeit niemals vergessen.
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